Jetzt ist es offiziell: es gibt Leben im Archiv – Episode 1

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Leben im Archiv? Das ist nicht gerade der erste Gedanke, der einem kommt, wenn man an die coolste aller Informationseinrichtungen denkt. Oder doch? Vielleicht muss man einfach genauer hinschauen und hinhören.

Leben im Archiv – der Live-Blog aus dem Magazin:
Wanda hat’s drauf. Ganz einfach. Sie ist die weltbeste Mitarbeiterin im Archiv. Alles hört auf ihr Kommando. Nun ja, fast alles. Denn eines Tages, kommt aus den Kartons mehr als nur Papier und Staub. Und das bringt doch einiges durcheinander.

Episode 1: Es geht los

Hin…und her. Hin……und her. Hach, was gibt es Schöneres, als an einem Freitagabend im Magazin zu schaukeln! Wanda hat die größte Schaukel ever zwischen den Rollregalen geknüpft. Da rumpelt es plötzlich und ein Karton ergießt seinen Inhalt über den Boden. Sind hier Geister am Werk? Aber nicht im Archiv und schon gar nicht mit Wanda! Sie stoppt mit vier ihrer acht Beine die Schaukel und sieht sich die Sache genauer an. Der Kartoninhalt kommt langsam zur Ruhe aber eine kleine Schachtel bewegt sich immer noch und komischerweise spricht sie auch. Naja, es ist mehr ein Nuscheln.

Wanda nimmt ihren ganzen Mut zusammen „Wer da?“ ruft sie. „Hier ist Theo.“ sagt die Schachtel. Es rumpelt und dann kommt unter der Schachtel ein Schneckenhaus hervor, das sechs Beine und zwei Scheren als Hände hat. Zwei Augen lugen neugierig hervor. „Wo bin ich hier? Und wer bist du?“.

„Das ist ein Archiv und ich bin Wanda“, erklärt sie verblüfft, „und wo kommst du her?“ – „Ich komme vom Hafen, zusammen mit den Sachen aus dem Karton. Die haben dem Fischer gehört, bei dem ich gewohnt habe.“, erzählt Theo, „Er war schon ziemlich alt und dann ist er verstorben. Das Boot gehört jetzt jemand anderem und die Sachen sind wohl hier im Ar…A…, wie heißt das noch gleich?“ „Archiv.“ ergänzt Wanda. „Ja genau. Kann ich ein paar Tage hierbleiben, bis ich ein neues Zuhause gefunden habe?“, fragt Theo, „Und kannst du mir erklären, was ein Archiv ist?“ Wanda ist begeistert „Klar doch, das kriegen wir hin. Hier ist genug Platz.“

Zwölf Minuten später

„Hier ist nicht genug Platz“, stellt Wanda fest. Theo ist ein bisschen verwirrt „Aber du hast erzählt, die Sachen werden hier alle gar nicht mehr gebraucht.“ „Ja“, meint Wanda, „das stimmt schon, nur, werden sie manchmal doch noch gebraucht.“ „So ein Archiv, das klingt ganz schön schwierig. Sachen die keiner brauch, doch nicht genug Platz und…was macht das hier?“ will Theo wissen und zeigt auf das kleine Tischchen mit einem Spiegel, das am Kopfende vom Regal steht. „Ach das, das sind alte Möbel aus dem Rathaus, die hat hier jemand abgestellt, obwohl die hier nicht hingehören.“

Theo schüttelt den Kopf, mannomann, ein Archiv ist nichts für schwache Nerven. „Ha, ich hab’s“, ruft Wanda plötzlich, „der alte Schreibtisch, da sind noch Fächer frei.“ Sie macht sich gleich an die Arbeit und schubst zwei Bände von Meyer’s Konversationslexikon auf den Boden, weil die nun wirklich niemand mehr braucht.

„Das ist eine schöne Aussicht, da hab ich alles im Blick.“, freut sich Theo, „und danke noch mal, dass ich hier übernachten darf.“ „Kein Problem, mach es dir gemütlich“, meint Wanda, „und morgen schauen wir nach einer neuen Bleibe für dich. Gute Nacht“.

Text: Carolin Ehrenfeld