Leben im Archiv – Episode 3: …Zuhause gefunden!

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Leben im Archiv – der Live-Blog aus dem Magazin: Wanda hat’s drauf. Ganz einfach. Sie ist die weltbeste Mitarbeiterin im Archiv. Alles hört auf ihr Kommando. Nun ja, fast alles. Denn eines Tages, kommt aus den Kartons mehr als nur Papier und Staub. Und das bringt doch einiges durcheinander.

Episode 3: …Zuhause gefunden!

Bssss, bssüüüüüüü, bssss, bsüüüüüüüü. Was ist denn das für ein Geräusch? „Huhu.“, ruft jemand gleich neben Theo. Der erschreckt sich und fällt mit samt seinem Schneckenhaus aus dem Schreibtisch auf den Teppich. Der ist zwar weich, aber das Knacken klingt von drinnen ganz schön laut. Menno, jetzt hat sein Schneckenhaus einen Sprung. Der Tag fängt ja gut an. Und dann lässt sich auch noch Wanda an einem Spinnfaden vom Schreibtisch herunter und lacht: „Moin Theo, was ist denn mit dir los?“ Da platzt Theo der Kragen. „Was ich habe? Du hast mich geweckt und meine Schale kaputt gemacht. Das ist los.“, schreit er. „Wie? Was? Warum ist das meine Schuld? Ich wollte nur guten Morgen sagen.“ ruft Wanda nun entrüstet zurück.

Theo ist schon ganz rot im Gesicht, „Aber nicht so früh und nicht so laut und nicht so doll und nicht so…“, ihm fällt nichts mehr ein, „aaahhhhh.“, ruft er noch und rennt aus dem Büro, raus aus der Tür und ist verschwunden. Wanda muss sich erstmal abreagieren und tritt gegen den Karton mit den Sachen vom Boot und dann tritt sie noch mit drei anderen ihrer Beine dagegen. Das ist schließlich ihr Archiv und sie ist immer so früh wach. Und nun kommt da dieser doofe Einsiedler und regt sich so auf. Sie holt noch mal Schwung um mit Karacho gegen den Karton zu treten. Zack! Das tut gut. Wanda stapft wütend vorbei, da fällt ihr Blick auf einen Stapel Fotos, der aus dem Karton gerutscht ist und sie hält inne. Die Bilder zeigen das Boot, den Hafen, Theo und den Fischer. Alle möglichen Häfen und der Fischer und Theo immer mittendrin zwischen Menschen, Netzen, Fahnen, Bojen und alle winken fröhlich in die Kamera.

Einen Moment darauf

Und da wird ihr klar, dass Theo den Fischer und das Boot ganz doll vermisst. Das geht ja auch gar nicht anders. So viel, wie die beiden zusammen erlebt haben. Da muss Wanda erstmal ausatmen. Puuuhhhhhh. Sie ist ein bisschen wunderlich, das haben ihr schon mehrere Leute erzählt, aber dass sie Theo so angegangen ist. „Oh je, das ist peinlich.“, sagt sie sich selber. Eine Entschuldigung muss her, aber schnell. Wanda rennt los zum Hafen. „Wo…ist…das Boot…vom Fischer?“, japst Wanda, als sie ins Hafenmeisterbüro stürmt. „Das ist doch längst verkauft.“, schnauzt der Typ hinter dem Tresen. „Aber ich suche Theo, nicht das Boot.“, erklärt sie. Der Typ wedelt mit seiner Flosse grob in Richtung Strand und grunzt „Mole“. Wanda muss zusehen, dass sie nicht in die Lücken zwischen den Bohlen gerät. Hüpf, hüpf, hüpf, läuft sie ganz nach vorne zum Leuchtturm. „Da bist du ja.“, ruft sie ganz außer Atem. „Lass mich in Ruhe!“, meint Theo und schaut Richtung Horizont.

„Aber das geht nicht. Ich hab Mist gebaut und war nicht nett zu dir. Dafür muss ich mich entschuldigen.“, sagt Wanda. „Weißt du, du bist seit langem der Erste, der mich im Archiv besucht hat. Ich bin ein bisschen…Das Archiv…da fühle ich mich wohl, aber ich bin auch viel alleine. Deshalb habe ich keine Rücksicht genommen. Das tut mir leid.“ Wanda geht noch mal in sich. Es reicht nicht, dass sie Platz im Archiv schafft, sie muss auch Platz im Herzen schaffen.

„Bitte such dir kein anderes Zimmer.“, sagt sie deshalb, „ich schaff das. Platz für dich, Platz für mich. Es wäre toll, wenn ich nicht mehr alleine bin.“ Eine Weile ist es ganz ruhig, bis auf die kleinen Wellen, die an die Steine der Mole schwappen. „Das war sein Lieblingsplatz hier, weißt du?“, sagt Theo plötzlich. „Hier hat der Fischer manchmal die ganze Nacht gesessen und konnte nicht genug bekommen vom Wind und vom Wasser. Das Archiv ist so anders. Trocken, bröselig, fest, da komme ich noch nicht so mit klar. Aber ich will es versuchen, mit deiner Hilfe?“, schaut er fragend zu Wanda. Die bekommt ganz feuchte Augen. „Ach, das wäre so schön.“

Zwei vollgerotzte Taschentücher später

Auf dem Weg zurück zum Archiv hält Wanda vor der Pizzeria an. Aus den Augenwinkeln sieht sie am schwarzen Brett einen Zettel hängen. „Guck mal. Häusermesse im Hafen. Das könntest du brauchen, jetzt wo dein Schneckenhaus…“ „Das ist genau das Richtige.“, freut sich Theo, „da finde ich bestimmt das richtige Häuschen. Was hälts du jetzt von einer großen Portion Pasta?

Text: Carolin Ehrenfeld